Anton Hofreiter, Co-Vorsitzender der Grünen-Bundestagsfraktion, war Redner auf der SIMEP am 3. März. Wir sprachen mit ihm über Europa, den Dieselskandal und den Umgang mit rechten Parteien.
Zur Person: Anton Hofreiter wurde 1970 in München geboren und ist promovierter Biologe. Seit 2005 sitzt der Grünen-Politiker im Bundestag, wo er seit 2013 zusammen mit Katrin Göring-Eckardt Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion seiner Partei ist.
SIMEPexpress: Herr Hofreiter, wo sehen Sie Europa in 20 Jahren?
Anton Hofreiter: Der Zusammenschluss der europäischen Staaten zu einer solidarischen, geeinten Union ist keine Selbstverständlichkeit. Das sehen wir gerade in Italien – dort haben die Europakritiker starken Zulauf. Wir können und müssen etwas dafür tun, dass wir in 20 Jahren eine starke Europäische Union haben. Mit einem einflussreichen und lebendigen Europäischen Parlament ausgestattet mit vielen Rechten. Großbritannien ist dann wieder der Europäischen Union beigetreten, weil es erkannt hat, welche großen Vorteile es davon hat. Und der Kommissionspräsident geht in der Hinsicht aus demokratischen Wahlen hervor, dass er Spitzenkandidat von einer transnationalen Liste ist. Insgesamt wird die Europäische Union zu einer überzeugenden Rechtsstaats-, Friedens-, Demokratie- und Sozialunion wachsen.
Die SIMEP ist ja dafür da, dass Jugendliche ein besseres Verständnis für Abläufe in der Politik bekommen. Wie kann man Jugendliche dafür engagieren, sich wirklich in die Politik einzumischen bzw. selbst politisch tätig zu werden?
Zunächst hilft es sicher, durch transparentere Strukturen das Verständnis für politische Abläufe und Entscheidungen zu erhöhen. Außerdem muss man niedrigschwellige Angebote schaffen, die es jungen Menschen erleichtern, sich zu engagieren. Auch solche Veranstaltungen wie die heutige tragen sicher dazu bei, dass bei jungen Menschen die Lust und das Interesse für Politik geweckt wird. Des Weiteren kann man Jugendliche durch eine verständliche Sprache motivieren. Und damit junge Menschen schon früh aktiv mitgestalten können, wollen wir Grüne zum Beispiel das Wahlalter bei allen Wahlen auf 16 Jahre absenken. Schließlich geht es um Eure Zukunft.
Wichtig ist zu verdeutlichen, dass es die Politik nicht gibt. Das liest man zwar öfter so in der Zeitung – aber in einer Demokratie gibt es nicht die Politik, sondern es gibt Politiken. Welche von der CDU, der SPD, der FDP, der Linken oder den Grünen. Und am Ende liegt die Verantwortung in der Demokratie bei jedem einzelnen. Es mag einem zwar so vorkommen, dass die einzelne Stimme ja nichts zählt oder ändert, weil man nur eine unter 50 Millionen ist. Aber aufsummiert aufs Ganze kommt es dann doch auf jede einzelne Stimme an. Das muss man Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch politische Kommunikation deutlich machen. Wenn sie heute 16 sind, haben sie durch die steigende Lebenserwartung statistisch gesehen noch mehr als sechs Jahrzehnte vor sich – das ist eine lange Zeit und da macht es schon Sinn, die Welt in der man lebt, mitzugestalten.
Durch den Dieselskandal ist viel Vertrauen verloren gegangen. Wie kann man solche Probleme in Zukunft auf europäischer Ebene verhindern?
Solche Probleme kann man dann auf europäischer Ebene verhindern, wenn die Europäische Union deutlich mehr Kompetenzen im Kontrollbereich hat. Schließlich haben die Nationalstaaten bei der Kontrolle mehr oder weniger versagt. Auch Deutschland hat da krass versagt: die zuständige Behörde, das Kraftfahrt-Bundesamt, ist eng verquickt mit der Industrie. Aber nicht nur auf europäischer Ebene, auch national brauchen wir schlichtweg mehr unabhängige Kontrollen. In Deutschland gibt es das Umweltbundesamt, das eine Teilunabhängigkeit hat. Das war in diesem Fall leider nicht zuständig. Deshalb: Mehr Unabhängigkeit von Kontrollbehörden.
Bei einer Bundestagsdebatte haben Sie zu einem Abgeordneten der AfD gesagt, dass er sich eine Zeitung kaufen soll, um zu lesen, was das Problem beim Dieselskandal ist. Wie geht man mit rechten Parteien um – auch auf europäischer Ebene?
In dem konkreten Fall war das eine wenig schlaue Frage des AfD-Abgeordneten. Da musste ich ihn einfach fragen, wo er sich die letzten zwei Jahre aufgehalten hat, weil das wirklich ausführlich in allen Zeitungen stand. Allerdings sind diese Zwischenfragen eine Masche der AfD – das machen sie bei fast jeder Rede und häufig sind die Fragen auch entsprechend. Ob man darauf oder auf all die vielen teils kalkulierten Provokationen der AfD eingeht, sollte man situativ entscheiden. Bei bestimmten Übertretungen, etwa wenn nationalsozialistische Sprache benutzt wird, muss man klare Haltung zeigen: das geht bei uns nicht. Bei Absurditäten, wie dieser Frage des AfD-Abgeordneten, kann man auch mit Ironie reagieren. Für die Auseinandersetzung im Plenum gilt – dass man gut vorbereitet am besten gewappnet ist, um bestimmte Unwahrheiten, die die AfD aus der Kiste kramt, zu widerlegen. Was rechte Parteien immer gern ausschlachten ist, wenn staatliche Organe irgendwelchen Unsinn treiben. Das heißt, wir brauchen einen gut funktionierenden Staat. Da geht es auch um Triviales: Wenn ich etwa zum Bürgeramt gehe, sollte das keine monatelange Odyssee sein.
Kommen wir zur letzten Frage: Was sind für Sie die drei wichtigsten Punkte, wie wir die Umwelt und das Klima schützen können?
Der wichtigste Punkt ist, dass wir schnell aus der Kohle rausgehen, da Strom aus Braunkohle zu produzieren, die klimaschädlichste Form ist, die es in Deutschland überhaupt gibt. Der nächste Punkt ist, das Heizen und Kühlen unser Häuser in den Griff zu kriegen, weil wir da gigantische Mengen von Energie verschwenden. Und das Weitere ist eine Mobilität, die unabhängig vom Öl ist.
Herr Hofreiter, vielen Dank für das Gespräch!